Tilo Bonow (er/ihn)

„Zukunftspositivität bedeutet, Mut zu machen – Mut zur Veränderung, Mut, groß zu denken.“
Wer bist du und was machst du?

Ich bin Tilo Bonow, Gründer und CEO von PIABO Communications. Wir sind Europas führende Full-Service-Kommunikationsagentur für die innovativsten Unternehmen der Welt, wie z.B. Google, Stripe, Github oder Sequoia. Als strategischer Partner unterstützen wir unsere Kunden dabei, ihre lokalen und globalen Wachstumsziele zu verwirklichen.
Besonders am Herzen liegt uns das Thema Innovation und Technologie. Es ist unsere Mission, die Gesellschaft bei den großen Veränderungen unserer Zeit mitzunehmen. Denn was bringt technologischer Fortschritt, wenn die Menschen dabei Ängste entwickeln – etwa, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder die Kontrolle über ihre Daten? Wir wollen nicht nur kommunizieren, sondern Brücken bauen, Ängste abbauen und den Menschen zeigen, wie Innovation ihr Leben bereichern kann. Gerade in Zeiten großer Umbrüche, wie wir sie aktuell erleben, ist das wichtiger denn je.

Was kann Kommunikation in diesem Kontext leisten?

Kommunikation bedeutet in erster Linie, zuzuhören. Wirklich zuzuhören. Es ist ja keine Kommunikation, alles doof zu finden, „herumzutrollen“ und letztendlich nur zu sagen: „Du bist doof, ich habe Recht und du hast Unrecht.“ Kommunikation beginnt mit Empathie. Es geht darum, sich in andere hineinzuversetzen und zu verstehen, woher ihre Meinung kommt.
Vielleicht regt es dich auf, dass dein Nachbar einen Hund hat, der ständig bellt. Aber wenn du dich in seine Perspektive versetzt, stellst du vielleicht fest, dass er Angst vor Einbrechern hat und der Hund ihm Sicherheit gibt. Genau diese Empathie fehlt oft – gerade auf sozialen Plattformen, wo schnell und oft hasserfüllt reagiert wird. Aber Kommunikation bedeutet auch, sich die Zeit zu nehmen und zu fragen: Warum sagt jemand etwas? Welche Erfahrungen hat diese Person gemacht? Was treibt sie an? Nur so können wir echte Gespräche führen und Konflikte nicht nur austragen, sondern auch konstruktiv lösen.

In Deutschland finden demnächst Wahlen statt. Was rätst du den demokratischen Parteien in Bezug auf ihre Kommunikation?

Viele Menschen  fühlen sich aktuell überfordert, nicht angehört, nicht mitgenommen. Es fehlt an einem politischen Verständnis für die zentralen Fragen des Alltags: Was wird am Abendbrottisch besprochen? Was beschäftigt Familien, Arbeitnehmer:innen und Unternehmer:innen im Kern? 

Fragen wie z.B. Warum habe ich am Ende des Monats kein Geld mehr, obwohl ich sparsam bin? Warum gibt es Milliarden an Subventionen für veraltete Industrien, aber kein Geld, um unser Schwimmbad zu sanieren oder neue Schulbücher anzuschaffen?
Dabei geht es nicht nur um die Ängste und Herausforderungen der sogenannten Mittelschicht oder derjenigen, die in prekären Verhältnissen leben. Wir sprechen hier über alle gesellschaftlichen Bereiche hinweg – es geht auch um Menschen, die Innovationen vorantreiben, Unternehmen gründen und Verantwortung übernehmen – sei es der Friseursalon, die Bäckerei, die Unternehmensberatung oder jede andere Form von Unternehmertum. Diese Menschen schaffen Arbeitsplätze, verwirklichen Ideen und tragen maßgeblich zur Gesellschaft und Wirtschaft bei und gehen persönliche Risiken ein.
Doch in jedem dieser Bereiche stoßen wir in Deutschland auf zahlreiche Hindernisse: Bürokratie, Reportings, Steuerlasten und Regulierungen legen den Menschen immer wieder Steine in den Weg. Es entsteht das Gefühl, dass auf keiner Ebene – weder bei den prekär Lebenden, noch in der Mittelschicht oder bei den Unternehmer:innen – von der Politik verstanden und verständlich kommuniziert wird, worauf es wirklich ankommt. Das, was die Menschen wirklich bewegt und was dieses Land voranbringen könnte, wird nicht ausreichend erkannt.

Antidemokratische Parteien nutzen dieses Sentiment zunehmend weltweit auf den sozialen Medien, aber auch im analogen Bereich aus. Was können wir daraus lernen?

Leider haben es insbesondere rechte Parteien geschafft, den Eindruck des Verstehens besser zu vermitteln. Sie sind wie die Bild-Zeitung der Politik. Komplexe Sachverhalte werden vermeintlich auf eine Botschaft zusammengeschrumpft. Dabei haben sie keine wirklichen tragfähigen Lösungen anzubieten, außer Minoritäten zu Sündenböcken zu machen und die Gesellschaft zu polarisieren. 
Dieses Phänomen sehen wir weltweit: Ob es um Frauenrechte, die LGBTQIA+-Community oder andere Minderheiten geht – immer wieder zeigt sich, wie populistische Ansätze diese Gruppen instrumentalisieren, um Ressentiments zu schüren. Es bleibt entscheidend, den Blick auf das Wesentliche zu richten und eine Politik und deren Kommunikation zu fördern, die sich an den realen Bedürfnissen der Menschen orientiert.
Hier gilt das alte Sprichwort: ‚Simplicity wins, complexity kills.‘ Klare, einfache und plakative Botschaften verfangen einfach besser bei den Menschen, das müssen wir verstehen.
Es nützt also am Ende nichts, das beste “Produkt” zu haben, solange sich andere besser verkaufen.

Was bedeutet das für die politische Kommunikation?

Wenn wir uns unsere Parteienlandschaft in Deutschland und ihre Spitzenkandidat:innen anschauen, wird deutlich, dass es an klaren Kernbotschaften fehlt. Geht man heute auf die Straße, könnte kaum jemand spontan benennen, wofür beispielsweise Olaf Scholz oder andere prominente Politiker:innen stehen. Das zeigt ein grundlegendes Problem: Die Wähler:innen wissen oft nicht genau, welche Werte und Positionen die Parteien tatsächlich vertreten.
Diese Lücken nutzen andere Parteien geschickt aus und setzen so eigene Themen. Sie gewinnen oft an Zuspruch, weil sie einfache Botschaften vermitteln. Dabei geht es nicht darum, ob diese Botschaften richtig oder falsch sind – ihre Klarheit verschafft ihnen Aufmerksamkeit und Wirkung.
Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass etablierte Parteien stärker auf prägnante, verständliche und glaubwürdige Botschaften setzen, die den Menschen Orientierung bieten, auch wenn es unbequem ist.

Wie geht das: Unbequeme Wahrheiten zu kommunizieren?

Der entscheidende Punkt ist, die Begeisterung zu wecken und ein Feuer zu entfachen. Wir müssen Menschen vor allem emotional, nicht kognitiv erreichen. Das geht nur, indem gezeigt wird: Wir verstehen die Probleme, die dieses Land hat und wir lieben dieses Land von ganzem Herzen. Die Botschaft ist: Einigkeit und Recht und Freiheit. Das Ziel: Eine gute Zukunft für Deutschland. All das kann nur in einem demokratischen Rechtsstaat, der Vielfalt schützt, passieren.

Was bedeutet Vielfalt für dich im Alltag?

Diversität ist für mich weit mehr als nur eine Frage von Geschlecht oder sexueller Orientierung. Sie umfasst Alter, Behinderungen – sowohl sichtbare als auch unsichtbare –, soziale Hintergründe und vieles mehr. Es geht nicht darum, dass jemand automatisch ein besserer Manager ist, nur weil er schwul ist, oder dass eine Frau automatisch die bessere Führungskraft ist. Vielfalt bedeutet, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren. Wenn man dies tut, wird man auch erkennen, dass man davon profitiert.
Ein Beispiel aus meiner Praxis zum Thema: Ich habe z.B. bewusst in Fonds investiert, die vermehrt von Frauen geführt werden oder in denen diverse Teams arbeiten. Denn ich glaube, dass Perspektivenvielfalt nicht nur ethisch richtig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist.
Gleichzeitig sehe ich es als Problem an, dass Diversität oft auf „Box Ticking“ reduziert wird. Ich erinnere mich an ein Panel, auf dem vier Frauen saßen. Ein Mann kommentierte, das sei jetzt wohl das neue Verständnis von Diversität, „weil keine Männer mehr eingeladen werden“. Was er nicht wusste: Alle vier Frauen waren auch der LGBTIQ+ Community zugehörig. Was ich damit sagen will: Es gibt einfach zahlreiche sichtbare und unsichtbare Dimensionen von Diversität, die wir ebenfalls beachten müssen und sollten uns nicht jeweils direkt zu Bewertungen und dem oberflächlichen Boxticking hinreissen lassen. Wir sollten vielmehr über unser „klassisches“ Schubladendenken hinausdenken und deutlich mehr sichtbare und unsichtbare  Dimensionen bei dem Vielfaltsbegriff mitdenken.

Was ist deine Empfehlung zum Umgang mit dem Thema Vielfalt?

Natürlich ist Sichtbarkeit wichtig, sonst gibt es keine Veränderung. Doch das ganze Thema Diversität sollte mit einer gewissen Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit angegangen werden. Leben ist Vielfalt. Daher sollte der Umgang damit weder gezwungen noch künstlich wirken. Ich muss nicht einen Regenbogen in mein LinkedIn Profil setzen oder eine pinke Hoodie tragen. Es geht nicht darum, dass sich Unternehmen auf der Pride Parade im Juni mit der Ausstattung ihrer Wägen überbieten. Es geht um echte Perspektivenvielfalt, gegenseitige Unterstützung, der Sicherheit vor Diskriminierung und damit verbunden natürlich auch der Sichtbarkeit. Authentizität ist entscheidend.
Wir als Unternehmer tragen auch hier eine Verantwortung als Vorbilder. Und das gilt für alle Bereiche. Wir alle können Role Models sein, fürs Machen und Verantwortung übernehmen, fürs Scheitern, fürs Mutig sein, fürs authentische Auftreten, für das Eintreten für Vielfalt und Antidiskriminierung und natürlich für Empathie und das Verständnis meines Gegenübers. Am Ende macht ja genau dieses Verständnis gute Kommunikation aus.

Wenn du eine Sache in Deutschland sofort ändern könntest, was wäre das?

Ich würde mir eine klare Haltung der Zukunftspositivität wünschen, auf allen Ebenen der Gesellschaft. Innovation und Digitalisierung sind der Schlüssel um viele unserer zentralen Herausforderungen zu bewältigen – vom Fachkräftemangel, über den Klimawandel bis hin zu den steigenden Kosten im Gesundheitssystem. Alles, was digitalisiert werden kann, sollte digitalisiert werden.
Es ist absurd, dass wir in einer Zeit, in der wir per Gesichtserkennung Geld sicher transferieren, bei Wahlen immer noch an Papier und Stift hängen. Die Ausrede, dass Wahlzettel nicht rechtzeitig zur Wahl gedruckt werden können, wirkt da wie ein Anachronismus. Es zeigt, wie weit wir uns von dem entfernt haben, was technologisch möglich ist, und wie dringend ein Umdenken nötig ist.
Wir brauchen ein klares Signal der Politik, dass Deutschland bei der Digitalisierung nicht hinterherhinken will, sondern vorne mitspielen will. Es geht darum, ein Klima zu schaffen, in dem Innovation als Chance und nicht als Bedrohung gesehen wird.
Zukunftspositivität bedeutet auch, Menschen Mut zu machen. Mut zur Veränderung. Mut, groß zu denken. Und vor allem: den Glauben daran zu vermitteln, dass technologische Innovation unser Leben verbessern wird.

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