Anthony Owosekun (er/ihm)

Powersharing bedeutet Macht und Einfluss zu teilen. Es richtet sich an Menschen in privilegierten Positionen, die durch ihre Macht die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Chancen ändern möchten und können.
© Ariane Bille
Wer bist du und was machst du?

Ich heiße Anthony Owosekun. Als Erlebnispädagoge und Sozialarbeiter habe ich EMPOCA gegründet, um Schwarze junge Menschen mit der Natur zu verbinden und sie für den Klimaschutz zu begeistern.

Was bedeutet Vielfalt für dich persönlich und beruflich?

Vielfalt bedeutet für mich, dass jeder Mensch einzigartig ist und eine Vielzahl an Erfahrungen, Emotionen und Perspektiven mitbringt. Beruflich setze ich mich kritisch damit auseinander, dass Vielfalt oft nur oberflächlich betrachtet wird, ohne tiefgreifende strukturelle Veränderungen zu adressieren. Statt einfach nur „Vielfalt“ zu feiern, müssen wir uns aktiv gegen Rassismus und andere Diskriminierungsformen einsetzen.

Wenn du in Deutschland gerade eine einzige Sache sofort ändern könntest, was wäre das?

Wenn ich in Deutschland eine einzige Sache sofort ändern könnte, wäre es die Transformation des Bildungssystems. Ich würde Themen wie Rassismus, Kolonialgeschichte und Future Skills zu einem festen Bestandteil des Lehrplans machen. So können wir sicherstellen, dass junge Menschen besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet werden und ein tieferes Verständnis für die Vielfalt und Solidarität unserer Gesellschaft entwickeln.

Was hat dich dazu veranlasst deinen Job in einem komplett anderen Umfeld zu verlassen und EMPOCA zu gründen?

Ich habe fünf Jahre als Lehrer und Schulsozialarbeiter an verschiedenen Schulen gearbeitet. Dabei habe ich festgestellt, dass es viele Stressquellen gibt, die das Miteinander, die Motivation und die mentale Gesundheit der Schüler*innen negativ beeinflussen. Auf vielen Ausflügen habe ich erlebt, wie positiv die Natur auf Schüler*innen wirkt, die mit Herausforderungen und geringen Zukunftsperspektiven zu kämpfen haben. Gleichzeitig habe ich bemerkt, dass in Naturräumen meist weiße Menschen anzutreffen sind, was unsere gesellschaftliche Vielfalt kaum widerspiegelt. Dies wurde mir schon als Kind bei den Pfadfinder*innen bewusst.

Diese Erkenntnisse haben mich dazu bewegt, EMPOCA zu gründen. Unsere Mission ist es, Schwarze Kinder und Jugendliche mit der Natur zu verbinden, damit sie sich selbst empowern können. EMPOCA ist seit fünf Jahren die einzige Outdoor-Organisation für junge Schwarze Menschen in Europa.

Kannst du uns mehr über deine Tätigkeit mit EMPOCA erzählen und was waren die wichtigsten Erkenntnisse für dich in den letzten Jahren?

Bei EMPOCA bedeutet Naturerfahrung mehr als nur ein Spaziergang im Wald – es ist ein umfassendes Programm! Unsere Arbeit basiert auf drei Säulen: Empowerment, Gesundheit und Umweltschutz.

Bei EMPOCA geht es darum, junge Schwarze Menschen durch Naturerlebnisse zu stärken und ihnen wichtige Lebenskompetenzen zu vermitteln. Unsere Outdoor-Aktivitäten helfen den Teilnehmer*innen, sich besser zu fühlen und gut im Team zu arbeiten. Sie verbessern auch die körperliche und geistige Gesundheit der Kinder und Jugendlichen, besonders wenn sie vor schwierigen Herausforderungen stehen. Gleichzeitig erleben sie mit allen Sinnen, wie wichtig der Umweltschutz ist. Das hilft ihnen umweltbewusster zu handeln und die Natur mehr zu schätzen.

Unsere Erfahrungen aus den letzten Jahren haben gezeigt, dass Lernen und Aktivitäten im Freien wichtig für die Selbstwirksamkeit, mentale Gesundheit und Teamfähigkeit sind. Diese Aspekte sollten in Bildungseinrichtungen stärker betont werden. Zudem haben wir festgestellt: Nachhaltiges Empowerment funktioniert nicht ohne Powersharing. Powersharing bedeutet Macht und Einfluss zu teilen. Es richtet sich an Menschen in privilegierten Positionen, die durch ihre Macht die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Chancen ändern möchten und können. Es ist auch entscheidend, Allianzen zu bilden, um mehr Diversität und Sicherheit im Outdoor-Bereich und beim Reisen zu erreichen.

Du bist zusätzlich noch Mitgründer einer Beratung (DE_CONSTRUCT), die Fachkräfte für Rassismus sensibilisiert. Wo setzt ihr konkret mit eurer Beratung an und warum?

Die DE_CONSTRUCT Akademie bietet digitale Rassismus-Sensibilisierung für Fach- und Führungspersonal an. Unser Ziel ist es, die Vielfalt und das Zugehörigkeitsgefühl am Arbeitsplatz zu fördern. Wir zeigen, wie Gesundheitsangebote, Bildungs- und Arbeitsräume so gestaltet werden können, dass sie rassismussensibel sind und die mentale Gesundheit aller Beteiligten unterstützen. Fachkräfte sollen unabhängig von ihrem Alter Menschen, die Rassismus erlebt haben, professioneller beraten, begleiten und heilen können.

Was kann/sollte deiner Meinung nach jede*r bereits heute tun/ändern, um positiven Wandel innerhalb der Gesellschaft mitzugestalten?

Um positiven Wandel in unserer Gesellschaft mitzugestalten, können wir alle unseren Beitrag leisten. Zunächst sollten wir bereit sein, anderen zuzuhören und ihre Perspektiven zu verstehen. Diese Offenheit fördert Respekt und Verständnis füreinander. Außerdem ist es wichtig, dass wir alte Denkmuster und Vorurteile überdenken und verlernen. Indem wir uns von festgefahrenen Ansichten lösen, schaffen wir Raum für neue Ideen und Begegnungen.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist es, mit Scheitern umzugehen und uns selbst zu reflektieren. Aus Fehlern zu lernen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, ist entscheidend für persönliches und gesellschaftliches Wachstum. Diese Prozesse ermöglichen es uns, als Individuen und als Gemeinschaft voranzukommen und eine inklusive und gerechtere Gesellschaft aufzubauen.

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