Dr. Seyran Bostancı (sie/ihr)
"Vielfalt im Bildungssystem bedeutet, nicht nur Unterschiede sichtbar zu machen oder anzuerkennen und damit Identitäten stärken, sondern vor allem strukturelle Barrieren abzubauen!"
Mein Name ist Seyran, meine Pronomen sind sie/ihr. Ich bin Mutter von zwei Kindern und bin verheiratet. Lebe in Berlin und bin in Kreuzberg aufgewachsen zur Kita und Schule gegangen. Der frühkindliche Bildungsbereich liegt mir besonders am Herzen, weil ich zutiefst daran glaube, dass hier die Grundlage für eine gerechtere Gesellschaft geschaffen werden kann. Deshalb setze ich mich mit Leidenschaft für Chancengerechtigkeit in der frühkindlichen Bildung ein. Um nachhaltige Veränderungen voranzutreiben, habe ich das Netzwerk „Gemeinsamer Diskriminierungsabbau in der frühkindlichen Bildung“ gegründet. Am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) verantworte ich den Bereich „Bildung und Rassismus“ im Rahmen des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors.
In meinen wissenschaftlichen Arbeiten verbinde ich Migrationsforschung mit Kindheitsforschung, da es mir ein besonderes Anliegen ist, die Machtverhältnisse zu beleuchten, die Kinder in ihrer gesellschaftlichen Positionierung und ihrem Aufwachsen prägen – sei es durch die Erfahrung von Privilegien oder Benachteiligungen.
Um diese interdisziplinäre Perspektive zusammenzuführen habe ich das Buch „Elementarpädagogik in der postmigrantischen Gesellschaft“ co-veröffentlicht.
Es ist mir ein großes Anliegen, wissenschaftliche Erkenntnisse inklusiv und verständlich einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Daher setze ich mich aktiv dafür ein, diese durch Keynotes, Beiträge in (sozialen) Medien, sowie in der Zivilgesellschaft, Stiftungen, Politik und Verwaltungen in den praktischen Austausch und Transfer zu bringen.
Für mich ist Vielfalt schlichtweg gesellschaftliche Normalität. Beruflich widme ich mich intensiv der Erforschung von Widerständen gegen diese Normalität und der Entwicklung praxisorientierter Maßnahmen und Strategien, um diese Widerstände zu überwinden. Mein Ziel ist es, dazu beizutragen, dass das Menschenrecht auf Schutz vor Diskriminierung eingehalten und umgesetzt wird.
Ich beschäftige mich seit über 10 Jahren mit Fragen zur Bildungsteilhabe, Diskriminierung und Rassismus in der frühkindlichen Bildung sowohl als Forschende als auch als intersektionale Diversity Trainerin. Die ersten Lebensjahre haben Einfluss auf den gesamten Bildungsweg eines Menschen. Und doch sehen wir, dass es auch in diesem Bereich massive Diskriminierungen gibt. Besonders migrantisierte bzw. rassifzierte Kinder, Kinder mit Behinderungen oder sozioökonomisch benachteiligten Kindern wird der Zugang zur frühkindlichen Bildung erschwert und zum Teil blockiert. Selbst wenn de-privilegierte Kinder eine Kita besuchen, profitieren sie nicht in gleichem Maße von Bildungsangeboten wie privilegierte Kinder. Mit GeDAB wollen wir nachhaltige Strukturen für eine diskriminierungskritische und chancengerechte Praxis in der frühkindlichen Bildung aufbauen. Hierbei wird untersucht, welche politischen und pädagogischen Bedingungen notwendig sind, damit Kitas in einer postmigrantischen Gesellschaft eine erfolgreiche inklusive Praxis umsetzen können. Das Netzwerk strebt an, evidenzbasierte Handlungsempfehlungen zu formulieren, die theoretisch fundiert sind und in der Praxis angewendet werden. Um so nachhaltig für mehr Chancengerechtigkeit in der frühkindlichen Bildung zu sorgen.
Jede*r kann schon heute im Alltag dazu beitragen, Diskriminierung und Vorurteile wahrzunehmen, anzusprechen und aktiv abzubauen. Der erste Schritt ist Selbstreflexion: zu erkennen, dass wir alle Teil gesellschaftlicher Machtverhältnisse sind und dass beispielsweise Rassismen oder Adultismus auch unser eigenes Denken und Handeln beeinflussen können. Diese Einsicht sollte der Ausgangspunkt für Veränderung sein. Bereits kleine Anpassungen in unserem Verhalten und Denken können einen bedeutenden Beitrag zu einem inklusiven gesellschaftlichen Wandel leisten.
Wenn ich in Deutschland eine Sache sofort ändern könnte, würde ich dafür sorgen, dass Bildung von Anfang an chancengerecht gestaltet wird. Das erfordert eine grundlegende Veränderung von Strukturen und Haltungen in der frühkindlichen Bildung, die Diskriminierung fördern. Denn hier wird der Grundstein für die Zukunft gelegt: Stärken wir Kinder unabhängig ihrer gesellschaftlichen Positionierung, ermöglichen wir allen den Zugang zu Bildung, schaffen wir eine Gesellschaft, in der jedes Kind sein volles Potenzial entfalten kann.
Diversität in der frühkindlichen Bildung ist essenziell, weil sie den Grundstein für eine gerechte und inklusive Gesellschaft legt. Kinder erleben in den ersten Lebensjahren, wie sie von anderen wahrgenommen oder bewertet werden und welche Möglichkeiten ihnen eröffnet werden – oder eben nicht. In einer diversen Bildungsumgebung lernen sie früh, Unterschiede wertzuschätzen, Vorurteile abzubauen und Empathie zu entwickeln.
Gleichzeitig ist die Anerkennung von Vielfalt auch eine Frage der Chancengerechtigkeit: Kinder aus benachteiligten oder marginalisierten Gruppen sollen die gleichen Möglichkeiten haben, sich zu entfalten und von Bildungsangeboten zu profitieren wie privilegierte Kinder. Vielfalt im Bildungssystem bedeutet, nicht nur Unterschiede sichtbar zu machen oder anzuerkennen und damit Identitäten stärken, sondern vor allem strukturelle Barrieren abzubauen, die Kinder aufgrund gesellschaftlichen Positionierung benachteiligen.
Indem frühkindliche Bildung die Diversität der Gesellschaft widerspiegelt und aktiv wertschätzt, schafft sie eine Grundlage dafür, dass alle Kinder ihre Potenziale entfalten können und bereits früh ein respektvolles Miteinander erleben – ein Schlüssel für eine solidarische und gerechte Gesellschaft.