Franziska Büschelberger (sie/ihr)

Es darf nicht sein, dass Leistung, nur weil sie unbezahlt ist, wirtschaftlich als Schwäche angesehen wird.
Die Wirtschaft muss den Wert von Care-Arbeit anerkennen, findet Franziska Büschelberger. Aber auch wir selbst sollten unsere im Verborgenen getätigte Leistung stärker wertschätzen. Mit „Unpaid Care Work“ sorgt sie dafür, dass die oft unsichtbare Care Arbeit sichtbar wird.
Wer bist du und was machst du?

Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei inzwischen fast erwachsenen Söhnen und blicke auf 30 Jahre in der Forschung und Entwicklung zurück.

2023 habe ich mich mit meinem Herzensanliegen selbstständig gemacht und biete Analysen des Mitarbeiterwohlbefindens in Unternehmen an. Damit senke ich die Fluktuation und den Krankenstand in Unternehmen und unterstütze Mitarbeitende mit familiären Belastungen.

Ich schule Mitarbeitende und Führungskräfte im ehrlichen Umgang mit sich selbst und untereinander und helfe ihnen dabei, wieder ehrlich ihre Bedürfnisse zu äußern. Da wir unsere Grundbedürfnisse immer in uns tragen und nicht auf dem Weg zur Arbeit ablegen können, ist mein Ansatz ganzheitlich.

Grundlage meiner Arbeit ist ein anonymer digitaler Fragebogen, der das Wohlbefinden der Menschen erfasst und nach Auswertung Hürden und Zusammenhänge sichtbar macht.

Am 26.04.2024 habe ich mit Unpaid Care Work ein fiktives Unternehmen auf LinkedIn gegründet, mit dem Menschen ihre unbezahlte Sorge- und Pflegearbeit sichtbar machen können. Mit der Welle, die ich damit auslöste, hatte ich nicht gerechnet. Innerhalb von 9 Wochen folgten Unpaid Care Work über 11.000 Menschen, 2.300 haben das Unternehmen aktiv unter ihren Berufserfahrungen verknüpft und über 60 Menschen als Bildungsstätte unter ihrer Ausbildung angegeben.

Wenn Du in Deutschland gerade eine einzige Sache sofort ändern könntest, was wäre das?

Politisches Mitspracherecht auf Basis demokratischer Volksentscheide.

Was hat dich dazu veranlasst Unpaid Care Work zu gründen?

Ich bin es leid, dass private Sorge- und Pflegeverantwortung wirtschaftlich als Schwäche angesehen wird. Es darf nicht sein, dass sich Eltern oder Pflegende entschuldigen müssen oder ihnen abgesprochen wird, wirtschaftlich etwas leisten zu können. Es darf nicht sein, dass aufgrund von privater Sorge- und Pflegeverantwortung Nachteile in der Erwerbstätigkeit oder der finanziellen Absicherung entstehen.

Sorge- und Pflegearbeit und die Zerrissenheit zwischen Sorge- und Erwerbsarbeit lässt viele Menschen selbst glauben, schwach zu sein, und das wollte ich ändern!

Akzeptanz und Wertschätzung beginnt immer im Kleinen, bei uns selbst. Daher habe ich den Menschen etwas an die Hand geben, was sie für sich selbst umsetzen können. Etwas, das ihre verborgenen Leistungen sichtbar macht und diese auf eine wertschätzende und vor allem berufliche Ebene hebt. Denn diese Arbeit ist nicht nur ein wirtschaftlicher Beitrag, sondern führt auch zum Aufbau von Kompetenzen und Skills, die wir in unser Berufsleben mitnehmen und dort anwenden!

Was sind deine Pläne für Unpaid Care Work?

Unpaid Care Work wurde auf LinkedIn gegründet und geht gerade den Weg hinaus, um allen Menschen zu ermöglichen ihre Fürsorge- und Pflegeverantwortung niedrigschwellig in ihren Lebensläufen anzugeben. Den Arbeitgebenden werden wir im Umgang damit zur Seite stehen.

Unpaid Care Work wird ein Dach werden, für alle Menschen und Initiativen, die sich zu diesem Thema stark machen. Wir werden aktiv hinhören, was Menschen und Wirtschaft brauchen, und bauen ein Netzwerk auf, in dem wir alle Bedarfe, alles Wissen und alle Erfahrungen bündeln.

Wir werden Leistung, Unrecht und Bedarfe sichtbar machen und in den Dialog gehen, um gemeinsam Lösungen zu finden, die alle Beteiligten tragen können. Nur weil wir Lösungen noch nicht sehen, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt.

Was muss sich in Wirtschaft und Politik ändern?

Care-Arbeit ist Leistung! Und als diese gehört sie gesehen, anerkannt und wertgeschätzt. Auch Begriffe wie Leistungsträger und „Werte erschaffen“ sollten wir neu definieren.

Es darf nicht sein, dass Leistung, nur weil sie unbezahlt ist, wirtschaftlich als Schwäche angesehen wird. Es ist ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Beitrag, hier werden Werte erarbeitet, die fundamental sind! Menschen, die aufgrund unbezahlter Arbeit keiner bezahlten Arbeit nachgehen können, darf zu keiner Lebenszeit Armut drohen.

Die Wirtschaft muss offener und mutiger werden! Mut, sich mit Eltern und Pflegenden zusammen neuen Lösungen zu öffnen.

Die Politik muss menschlicher und eine bessere Zuhörerin werden und sich ehrlich für die Bedürfnisse der Menschen in unserer Gesellschaft interessieren.

Was kann jeder Einzelne tun?

Anerkennung, Wertschätzung und Veränderung beginnen immer im Kleinen bei uns selbst. Wenn wir beginnen unsere im Verborgenen getätigte Leistung selbst als Leistung anzuerkennen und ehrlich darüber zu sprechen, dann legen wir den Grundstein dafür, dass es uns andere nachmachen und diese Leistung wertschätzen. Unpaid Care Work steht den Menschen dabei zur Seite, sodass sich niemand zu schämen und zu verstecken braucht.

Warum ist Care-Arbeit keine Privatsache?

Eltern, insbesondere Müttern, wird abgesprochen, mit ihrer 18 Jahre langen Begleitung ihrer Kinder und deren Vorbereitung auf das Leben, wirtschaftlich etwas zu leisten. Gleichzeitig wird aber von ihnen seitens der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik erwartet, dass sie in dieser Aufgabe bitte erfolgreich zu haben sein! Der Grund für diese Erwartung liegt auf der Hand: Unsere Kinder bilden die zukünftige Gesellschaft und erwirtschaften unsere zukünftigen Werte. Sie sind nicht nur die Arbeitnehmenden von morgen, sie sind die Wirtschaftsträger und Wirtschaftsträgerinnen von morgen!

Menschen würdevoll in schweren Lebensumständen und auf ihrem letzten Lebensweg zu begleiten, ist nicht nur Teil unserer sozialen Verantwortung, sondern auch ein Ausdruck gesellschaftlicher Dankbarkeit – nämlich für die Werte, die sie uns geschaffen, und für die Wege, die sie uns geebnet haben.

Unsere Gesellschaft braucht ein gesundes Fundament und ein starkes Rückgrat, auf dem unsere Zukunft gebaut wird und beides wird grundlegend durch Care Arbeit geschaffen!

Was bedeutet Vielfalt für dich persönlich und beruflich?

Ich komme aus der Forschung. Wenn ich an Vielfalt denke, habe ich die bunte Fülle der Natur und Lebewesen vor Augen, die uns unsere Welt bietet.

Aber auch wir Menschen sind vielfältig. Wir bieten eine so große Bandbreite an Aussehen, Kultur, Charakter, Stärke, Wissen, Familienstruktur etc. Unsere Kreativität, Emotionen, Wertesysteme, Rituale und Blickwinkel können uns sowohl trennen als auch einen. Letzteres, das heißt, Verständnis und Verbundenheit im Miteinander einkehren zu lassen, ist mein Herzensanliegen.

Unterstütze uns, indem du unseren Inhalt teilst!