Hanna Asmussen (sie/ihr)
Ich bin der festen Überzeugung, dass homogene Teams schlechtere Ergebnisse liefern, als ein Team mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen, Perspektiven und Nationalitäten.
Ich bin Gründerin und CEO von Localyze, einem Unternehmen, das Relocation-Prozesse für internationale Fach- und Führungskräfte – inklusive der Beantragung des Arbeitsvisums – digitalisiert und damit deutlich vereinfacht. Wir haben unseren Hauptsitz in Hamburg, aber Standorte in 20 Ländern, von Portugal, den Niederlanden, UK und Irland bis hin zu den USA.
Das war eher Zufall. Wir kannten uns teilweise vom Studium, haben dann durch verschiedene Auslandsaufenthalte festgestellt, dass es viele Ineffizienzen bei Anträgen, Wohnungssuchen und Co. gibt und beschlossen, diese digital zu verbessern. Zudem half es, dass wir untereinander recht komplementär waren, denn das ist beim Gründen ebenfalls sehr wichtig.
Es gibt natürlich viele Dinge wie Digitalisierung von Behörden, Prozessen, besseres Standortmarketing, Integrationsmassnahmen und Co, die ich mir alle sehr für unseren Standort wünsche.
Wenn ich in die Zukunft blicke, beunruhigt mich aber vor allem das Thema Bildung in Deutschland und wie wenig doch zum Thema Unternehmertum und Verantwortungs-übernahme an Schulen unterrichtet wird.
In Deutschland hat man schon gemerkt, dass die Investorenlandschaft im internationalen Vergleich sehr homogen ist – zumindest noch 2019, als wir das erste Mal auf Kapitalsuche gegangen sind. Da wir auch nicht aus einem der bekannten deutschen Gründernetzwerke kamen, wurden wir am Anfang schon kritischer beäugt. Der einzige wirklich schlimme Kommentar, den wir einmal zu hören bekommen haben, war ein Investor, der sagte, wir würden doch bald alle gleichzeitig schwanger werden und könnten das Unternehmen dann dicht machen. In den letzten Jahren ist aber auch in Deutschland Bewegung in der Szene, interessanterweise waren unsere ersten Investorinnen aus Deutschland auch AUXXO Female, ein VC Team, die sich auf weibliche Gründerinnen Teams fokussiert haben. Im Ausland hatten wir gefühlt weniger Probleme am Anfang, daher sind viele unserer Investoren aus Irland und UK.
Da wir nicht nur viele Frauen im Team haben, sondern auch von Anfang an ein komplett internationales Team eingestellt haben, hatten wir Diversität, zumindest im Hinblick auf Gender und Herkunftsland, von Anfang an in der DNA. Aber auch Themen wie Bildungs-Diversität bei den Bewerbern schauen wir uns regelmäßig proaktiv an, so dass wir auch hier versuchen, Homogenität bestmöglich zu vermeiden.
So haben wir durch die von Beginn an höhere Diversität im Team natürlich auch wiederum diverse Bewerbungen erhalten und tun dies bis heute. Dies liegt natürlich zum einen an der Internationalität unseres Geschäfts und der vielfältigen Repräsentanz auf unserer Karriereseite, zum anderen auch an den unterschiedlichen Netzwerken unserer Mitarbeiter*innen. Darüber sind wir sehr dankbar.
Viele Gründer*innen versuchen später in ihren Unternehmen Diversität zu fördern, was immer deutlich schwieriger gelingt, da es schwieriger ist Homogenität mit Quoten und aufwendigen Maßnahmen zu durchbrechen, als die Kultur von Anfang an divers und inklusiv zu gestalten. So kann ich, z.B. Gründer*innen nur den Rat geben, von Anfang an Zeit und Geld in das Thema zu investieren, auch wenn beides in Startups quasi nicht vorhanden ist (lacht). Diese Investition zahlt sich in jedem Fall aus.
Die unterschiedlichen Perspektiven und Sichtweisen helfen uns dabei, im Alltag unsere Kunden zu verstehen und zielgruppenorientierter mit unserem Produkt zu begleiten. Ich bin der festen Überzeugung, dass homogene Teams, auch wenn ausschließlich sogenannte “A-Player” dabei sind, schlechtere Ergebnisse liefern, als ein Team mit unterschiedlichen Erfahrungs Hintergründen, Perspektiven und Nationalitäten. Natürlich ist es auch eine Herausforderung, mit den verschiedensten Kulturen der Welt zusammenzuarbeiten, insbesondere, wenn viel davon remote erfolgt.
Deshalb halten wir uns sehr stark daran eine Kultur des Vertrauens, der Sensibilisierung und der Offenheit bei gleichzeitiger Ergebnisorientierung und unternehmerischem Denken zu schaffen, so dass sich jede Mitarbeiter*in sicher genug fühlt sein oder ihr Bestes für eine Welt ohne Grenzen zu geben.
Wegen der Sprache wie gesagt tatsächlich immer noch am liebsten in den USA oder UK (das ist jetzt mit dem Brexit etwas weniger geworden) aber auch nach Irland und eigentlich alle Englisch-sprachigen Länder. In Deutschland zieht nach wie vor eigentlich nur Berlin, da es sich international herumgesprochen hat, dass Berlin international und multikulturell ist und man dort auch mit Englisch “durchkommt”. Aber selbst wenn es um Hamburg oder München geht, wird es schon problematischer.
Durch den extremen Mangel an Arbeitnehmern in allen Bereichen in Deutschland und der demographischen Entwicklung würde ich dafür plädieren (zusammen mit einigen VWL Wissenschaftlern), die Grenzen in Deutschland komplett zu öffnen und die Einreiseprüfung auf ein Minimum an Bürokratie zu reduzieren (beispielsweise nur Criminal Records), damit die Visa Verfahren extrem vereinfacht werden können.
Wir haben so einen extrem hohen Arbeitskräftemangel über alle gesellschaftlichen Bereiche hinweg, dass wir uns solch hohe bürokratische Hürden gar nicht leisten dürfen. Auch wenn sich in Deutschland natürlich hartnäckig das Narrativ hält, dass wir ein sehr attraktives Einwanderungsland sind und geradezu “überlaufen” werden.
Unsere Zahlen sehen da jedoch anders aus: Gerade wegen der Sprache sind England und USA, aber auch Irland nach wie vor als Einwanderungsstandorte bevorzugt. Zudem ist die Freizügigkeit innerhalb der EU nur mit einem langfristigen Aufenthaltstitel in Deutschland verbunden, welcher auch noch einmal deutlich komplizierter und schwieriger zu erreichen ist.
Eines der größten Mankos ist sicherlich auch, dass viele MItarbeiter*innen in deutschen Behörden keine Services auf Englisch anbieten können oder wollen, d.h. die meisten Einwanderer verstehen, wenn sie dann beim Amt vorsprechen erstmal nichts und werden auch von unseren Mitarbeiter*innen, die häufig selbst einen Migrationshintergrund haben, bereits gewarnt, im Termin nur keine Fragen auf Englisch zu stellen. Hier sind wir vom Service- oder Kundengedanken noch meilenweit entfernt und unterscheiden uns vom Bürokratieaufwand und der administrativen Komplexität auch deutlich von den Visa-Prozessen in anderen Ländern, in denen zumindest die Prozesse im Land digitaler ablaufen, beispielsweise in Skandinavien.
Da wir mehrheitlich für Unternehmen in der Tech-Branche arbeiten und damit viele Entwickler*innen begleiten, sind viele unserer Kund*innen aus Indien, Brasilien, Nigeria, Kasachstan, aber auch aus allen anderen Ländern der Welt. Interessant ist z.B. auch, dass wir aus den USA meist die erfahrenen Führungskräfte holen, während aus Drittländern häufiger Nachwuchsfachkräfte kommen.
Zunächst einmal müssen wir anfangen, unseren Standort auch international stärker zu bewerben und uns im internationalen Wettbewerb besser aufzustellen. Dazu zählt natürlich sicherlich die sogenannte “Willkommenskultur”, hier haben wir in Deutschland definitiv noch Potential nach oben. Es sind eben Menschen, keine reinen “Arbeitskräfte”, die zu uns kommen und hier zählen eben auch Familien und die persönlichen Geschichten dazu. Hier wünsche ich mir manchmal deutlich mehr Empathie und Offenheit von allen beteiligten Stakeholdern.
Diese Willkommenskultur spiegelt sich natürlich auch in der Sprache wieder: Dass in Behörden nicht flächendeckend Englisch gesprochen wird, bzw. sich viele Mitarbeiter*innen ganz konkret weigern, auf Englisch zu arbeiten, kann in unserer heutigen Zeit eigentlich nicht mehr sein. Das ist ein großes Thema, das längst priorisiert werden müsste.
Genauso wie die Digitalisierung der bürokratischen Prozesse, so dass sowohl kundenzentrierter als auch schneller und transparenter gearbeitet werden kann.
Aber auch Unternehmen können eine Menge tun: Englisch als Zweitsprache in Unternehmen sollte an sich genauso wenig diskutiert werden. Wer internationale Talente für sich gewinnen will, der muss hier auch sprachlich eine Brücke bauen. Gleichzeitig geht es natürlich auch darum, die Menschen möglichst schnell auch in deutsche Sprachkurse zu bekommen und sie und eben auch ihre Familien zu begleiten, damit sie sich eben nicht nur beruflich, sondern auch ganzheitlich in unsere Gesellschaft integrieren können.
Für Firmen kann es zudem helfen, z.B. Mentorensystem zu etablieren, die die Mitarbeiter*innen eben auch über den Job hinaus begleiten und durch ähnliche Erfahrungen auch direkt eine Beziehung aufbauen können. Damit haben wir bei etlichen Kunden sehr gute Erfahrungen gemacht.
Es gibt natürlich viele Dinge wie Digitalisierung von Behörden, Prozessen, besseres Standortmarketing, Integrations-massnahmen und Co, die ich mir alle sehr für unseren Standort wünsche.
Wenn ich in die Zukunft blicke, beunruhigt mich aber vor allem das Thema Bildung in Deutschland und wie wenig doch zum Thema Unternehmertum und Verantwortungsübernahme an Schulen unterrichtet wird.
Ich kenne so viele Menschen, die großartige Unternehmen gründen könnten, sich aber lieber in die Sicherheit von Behörden oder großen Konzernen begeben. Was natürlich per se in Ordnung ist, aber in der Häufung bei den aktuellen Absolvent*innen auch Gefahren birgt. Ich habe oft den Eindruck dass Sicherheit und Risikoaversion in unserem Bildungssystem strukturiert ausgebildet werden, wichtige sogenannte “future skills” oder auch soft skills wie Empathie, Kommunikationsfähigkeit etc. sowie z.B. unternehmerisches Denken dabei aber nicht gleichermaßen berücksichtigt werden.
Nur wenn wir es schaffen, eine langfristige Innovationskultur zu etablieren, werden wir als Standort zukunftsfähig bleiben. Die Voraussetzung für eine starke Innovationskultur sind aber natürlich zum einen Diversität auf allen Ebenen und damit einhergehend die Lösung unserer demographischen Herausforderungen und zum anderen als Basis eine Fehler- und Vertrauenskultur, die uns den Mut entwickeln lässt, auch immer wieder zu scheitern.