Matthias Thönnessen (er/ihm)
Wir brauchen ein neues Männlichkeitsbild – auch um die Sterblichkeit bei Männern drastisch zu reduzieren.
Ich bin Matthias Thönnessen, Team Lead Marketing Partnerships & Affiliates in der FinTech Industrie, systemischer Team und Business Coach und langjähriger ehrenamtlicher Community Ambassador für die Movember Foundation in Deutschland.
Die Movember Foundation hat es sich zum Ziel gesetzt, die Männergesundheit global zu verbessern. Da Männer nach wie vor schlecht auf sich achten, sterben sie im Schnitt sechs Jahre früher als Frauen. Es gibt keinen biologischen Grund für die geringere Lebenserwartung von Männern, sondern schuld ist die Art und Weise, wie Männer mit ihrem Körper umgehen und wie sie sozialisiert sind. Die Movember Foundation setzt sich insbesondere für die Sensibilisierung zu Erkrankungen wie Hodenkrebs, Prostatakrebs, mentaler Gesundheit und Suizidprävention ein und unterstützt Forschungs- und soziale Projekte in diesen Bereichen mit Spendengeldern.
Ich würde das bedingungslose Grundeinkommen einführen. Ich versuche gerade eine Teilselbstständigkeit aufzubauen und muss parallel meine Ausbildung finanzieren. Dank meiner Teilzeittätigkeit war das möglich. Was mir besonders an der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gefällt ist, dass sich Menschen viel besser in ihren Stärken entfalten könnten, wenn sie sich nicht um die finanzielle Grundversorgung sorgen müssen. So wären wir alle wesentlich freier darin, unseren Stärken und Leidenschaften nachzugehen.
Das liegt daran, wie Männer aufwachsen. Sprüche wie “Ein Indianer kennt keinen Schmerz” oder “Männer weinen nicht” hat jeder meiner Generation schon gehört. Auch im Fernsehen und Internet sah man bisher als heranwachsender Mann nur “starke” Männer-Vorbilder. Das ist alles super homogen, alternative Männerbilder gab es nicht. Sich proaktiv um seine mentale und physische Gesundheit zu kümmern, Schmerzen zuzugeben oder regelmäßig zum Arzt und zur Vorsorge zu gehen, passt nicht ins gängige Bild des “starken Mannes”. Wir brauchen ein neues Männlichkeitsbild – auch um die Sterblichkeit bei Männern drastisch zu reduzieren.
Grundsätzlich sagt man, dass Frauen stärkere Netzwerke haben und insgesamt leichter über persönliche Themen sprechen können als Männer. Entsprechend finden sie schneller Hilfe oder werden von anderen dazu motiviert, sich Hilfe zu suchen. Das fehlt Männern häufig total.
Es fängt alles damit an, wie wir sozialisiert werden, das beeinflusst uns unser gesamtes Leben, insbesondere auch unsere Interaktionen miteinander. Was sehen wir als “normal” an?
Es gibt einen vorgefertigten gesellschaftlichen Standard, mit dem wir aufwachsen und davon abzuweichen ist schwierig. Männer wie Frauen werden in Schubladen gesteckt und unterdrückt. Für Männer ist dieser Standard die eher emotionslose, nach außen hin starke Zielperson “Mann”, nach der Männer so viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, geformt wurden. Am Ende muss uns klar sein, dass, nur weil Männer von dieser Normierung in Verhalten und Erscheinungsbild abweichen: sich verletzlich und emotional zeigen, sich farbenfroh und unkoventionell kleiden oder ihre Sexualität auf dem Spektrum nicht zu 100% bei hetero liegt, sie das nicht weniger “männlich” macht. Das Konzept Gender und Männlichkeit ist im Umbruch und muss in unserer Gesellschaft neu gedacht werden.
Ich sehe da glücklicherweise schon eine Trendwende: Ich finde es total schön, wie facettenreich das Bild Mann in unserer Gesellschaft sich mittlerweile entwickelt. Immer mehr Männer reden nun plötzlich über Themen, die lange tabu waren: Ob das jetzt junge Nationalspieler oder bekannte Sportler sind, die über ihren Hodenkrebs, aber auch über ihre Homosexualität oder Depressionen sprechen und dies auch über Social Media publik machen, da hat sich auf jeden Fall schon viel getan. Das ermutigt auch andere, zum Arzt zu gehen, über ihre Depressionen zu sprechen oder eben sich zu outen. Vor zehn bis 20 Jahren war das noch nicht in der Breite denkbar und ist eine sehr wichtige und gesunde Entwicklung. Seit zum Beispiel letztes Jahr die Fußballer Baumgartl, Richter, Hallers und Boëtius, ihre Hodenkrebserkrankung publik gemacht haben, höre ich von befreundeten Urologen, dass sich die Anzahl an Früherkennung durch Selbstabtastung spürbar erhöht hat. Und das ist wichtig, denn bei frühzeitiger Erkennung sind die Behandlungschancen von Krebs wesentlich besser. Social Media kann hier gerade auch für Männer als Austauschplattform hilfreich sein und die Trendwende weg von toxischer Männlichkeit vorantreiben.
An der Optik: Das Auftreten, der Style und die Mode von Männern wird immer fluider und aufregender. Menschen sind stolz Queer zu sein oder sich als Ally zu engagieren… Auch unter Popsänger*innen und Schauspieler*innen gibt es jetzt eine deutlich größere Bandbreite als noch in den 90ern zu Bruce Willis’ Zeiten.
Der Schauspieler Timothée Chalamet zum Beispiel spielt zwar sehr actionreiche Figuren, hat dabei aber eine sehr starke Facettenvielfalt und Spannbreite, die ich mir eigentlich für alle Männer wünsche. Abgesehen davon präsentiert er sich auf dem roten Teppich mit gender-untypischen Farben und Outfits. Er zeigt, dass sich Männlichkeit eben nicht durch eine möglichst kleine Schubladengröße definiert. Der Sänger Harry Styles oder auch Künstler wie Lil Nas X, ein schwarzer Rapper, der ein Gegenbild zum hyper-maskulinen Kollegen darstellt und noch viele mehr.
Ich glaube, das Wichtigste ist, dass es eine Unternehmenskultur gibt, die dir erlaubt, authentisch zu sein, ohne dich dafür zu verurteilen, egal woher du kommst, wie alt du bist, was deine sexuelle Orientierung oder deine Religion ist.
Man muss das Thema priorisieren, Budgets für Trainings und Coaching bereitstellen und vor allem muss sich die Geschäftsführung des Themas annehmen und selbst danach handeln. Vom Recruiting bis hin zur Mitarbeiterentwicklung benötigt man also ein ganzheitliches System, in dem diese Werte wahrnehmbar gelebt werden. Alle Personen in Führungspositionen müssen diese Kultur der Inklusion, der Zugehörigkeit, leben, damit auch merklich etwas passiert. Ein Erfolgsfaktor ist auch, dass Organisationen Mitarbeitende zu Promoter*innen weiterbilden, die diese Kultur unterstützen und das restliche Team sensibilisieren und diversifizieren. Zum Beispiel können Promoter*innen Vorträge zu den verschiedenen Diversitätskategorien halten – in Startups zum Beispiel zum Thema Alter. Oder sie weisen auf Slack auf die verschiedenen religiösen, nationalen oder internationalen Feiertage hin und laden zu gemeinsamen Feiern ein. Es muss natürlich auch ein klares offizielles Bekenntnis dazu geben, dass Diversität und Inklusion absolute Kernwerte des Unternehmens sind und dass diese dann auch z.B. in Meetings immer wieder noch mal aufgegriffen werden. Zudem sollte es auch eine Anlaufstelle für Diskriminierungsfälle in Unternehmen geben.
Glücklicherweise habe ich in meinem Arbeitsumfeld wenig Momente der Diskriminierung erlebt. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich bei Bewerbungen immer darauf geachtet habe, dass es sich um Firmen aus einem möglichst offenen, internationalen Umfeld handelt.
Ich würde das bedingungslose Grundeinkommen einführen. Ich versuche gerade eine Teilselbstständigkeit aufzubauen und muss parallel meine Ausbildung finanzieren. Dank meiner Teilzeittätigkeit war das möglich. Was mir besonders an der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gefällt ist, dass sich Menschen viel besser in ihren Stärken entfalten könnten, wenn sie sich nicht um die finanzielle Grundversorgung sorgen müssen. So wären wir alle wesentlich freier darin, unseren Stärken und Leidenschaften nachzugehen. Ich glaube, dass das zu einer Gesellschaft führen würde, in der wir alle wesentlich zufriedener und gesünder wären und gleichzeitig auch Wert schöpfen würden. Auch die sozialen Berufe würden Aufschwung bekommen, weil diese Berufsgruppe ja aktuell vor allem auch wegen der schlechten Bezahlung abschreckend wirkt. Das Grundeinkommen wäre für mich der absolute Game-Changer im Bereich persönliche Entwicklung und Entfaltung und ein sozialer Beitrag. Wir müssen weg von dem Gedanken ‘Hauptsache viel Geld verdienen, um dann hinterher die Sachen zu machen, von denen man träumt’.