Reflektiertheit

Nur wer ehrlich zu sich selbst ist, kann das System ändern.

Wir leben in einer Gesellschaft, die Frauen, Migrant*innen und andere minorisierte Gruppen unterdrückt. Damit sich die Gesellschaft als Ganzes ändern kann, muss jede*r Einzelne an sich selbst arbeiten.

In unserem Alltag denken wir regelmäßig in Stereotypen und haben Vorurteile, ohne dass wir uns so richtig im Klaren darüber sind. Vorurteile schleichen sich in unser Unterbewusstsein, indem wir versuchen, Erlebtes einzuordnen. Ganz automatisch findet eine Art Klassifizierungsprozess statt, der uns dabei hilft, die wichtigsten Informationen zu filtern, um eine schnelle Entscheidung treffen zu können. Ganz gleich, wie aufgeschlossen wir zu sein glauben, und egal wie gut es uns gelingt, respektvolle Beziehungen zu pflegen, unsere persönliche Voreingenommenheit kann einen erheblichen Einfluss auf unser Umfeld haben. Einige von uns sind vielleicht in Familien aufgewachsen, in denen Vorbehalte gegenüber anderen Menschen an der Tagesordnung waren. Andere haben vielleicht “nur” durch Beobachtung gelernt, dass zum Beispiel Frauen in der Regel die Hausarbeit übernehmen und migrantische Gruppen in schlechter bezahlten Jobs arbeiten. Wir alle haben verinnerlicht, wie das patriarchale, sexistische und rassistische System funktioniert. Bewusst oder unbewusst wirkt sich diese Erfahrung auf unsere Überzeugungen und Einstellungen gegenüber anderen Menschen aus und wir geben sie an unsere Kinder weiter – und zwar nicht nur, wenn wir zum privilegierten Teil der Gesellschaft zählen. Auch Frauen können sexistische Vorbehalte gegenüber anderen Frauen haben; People of Colour können negative Stereotype bezüglich ihrer Gruppe verinnerlichen – manchmal so sehr, dass sie diese im Sinne des „Stereotype Threat“ sogar bestätigen.

Wie strukturelle Probleme den Fachkräftemangel verstärken

Rassistische oder sexistische Vorurteile sind ein strukturelles Problem und machen daher auch vor dem Arbeitsmarkt nicht halt – mit schwerwiegenden Folgen für die Wirtschaft. Der Fachkräftemangel wird sich weiter zuspitzen, wenn wir nicht bald umdenken. Zugewanderte stehen zum Beispiel vor unglaublichen bürokratischen und sprachlichen Hürden, die die Eingliederung in die Arbeitswelt und in den Alltag sehr erschweren. Kindern fehlt es in Büchern, Filmen, aber auch zuhause nach wie vor an Vorbildern jenseits der gängigen Rollen. Zwar gibt es immer mehr Frauen, die Karriere in Wirtschaft und Politik machen – häufig sind es dann aber andere Frauen, die die Hausarbeit und Kinderbetreuung übernehmen. Die Rolle der Männer hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht im gleichen Maße geändert wie die der Frauen. Nur rund sieben Prozent von ihnen arbeiten in Teilzeit – im Vergleich zu zwei Dritteln der Mütter. Solange sich daran nichts ändert, werden Frauen auch weiterhin in Altersarmut enden und auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Gleichberechtigung wird somit erst dann zur Realität, wenn Männer ebenfalls Verantwortung auf allen Ebenen übernehmen. Der Alleinverdiener in 40+ Stunden pro Woche hat ausgedient. Arbeitsmodelle müssen flexibler werden, Führungskräfte empathischer und offener: Führungsrollen kann man nur in Vollzeit ausüben? Raus aus dieser Denke! Nur Führungskräfte, die sich auf die Lebensrealitäten der Mitarbeitenden und Bewerber*innen einstellen und flexible Lösungen finden – zum Beispiel in Form von Job-Sharing-Modellen oder Weiterbildungen für Zugewanderte – werden ihre Unternehmen zu langfristigem Erfolg verhelfen.

Reflektiere dich selbst:
Wie hast du das System verinnerlicht?

Das Wichtigste ist, dass wir uns alle selbst erst mal an die eigene Nase fassen und die Welt um uns herum kritisch betrachten. Wir sollten uns überlegen, was wir anders machen müssen und bessere Rahmenbedingungen dafür schaffen, damit nachfolgende Generationen eine gute und vielleicht auch bessere Zukunft haben.

Setze dich mit deinen Vorurteilen auseinander. Wie das geht? Informiere dich über gängige Vorurteile und wie sich diese auswirken. Zum Beispiel über Gender Bias. Sehr viele von uns schätzen Männer kompetenter ein als Frauen. Passiert dir nicht? Dann beobachte dich im nächsten Team-Meeting, beim Elternabend der Kita oder der nächsten Diskussion im Freundeskreis: Bewertest du die Wortbeiträge der männlichen, weiblichen oder Trans*-Personen vielleicht doch unterschiedlich? Inwiefern? Welche Annahmen stecken dahinter? Je stärker du dich selbst und den Status Quo reflektierst, desto besser und zukunftsfähiger kann unsere Gesellschaft werden. Dass du bis zum Ende dieses Blogbeitrags gelesen hast, ist bereits ein guter Anfang!

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