Felix Daub (er/ihm)

Die Stärke unserer Gesellschaft bemisst sich daran, wie wir mit den Schwächsten umgehen.

Felix Daub arbeitet als Unternehmensberater und engagiert sich ehrenamtlich im Autismus Landesverband Berlin e.V.  „Menschen sind unterschiedlich, sie haben Stärken und Schwächen“, sagt er. Gerade bei Personen mit Beeinträchtigungen stünden aber meist deren vermeintliche Schwächen im Vordergrund. Er findet: Das muss sich ändern!

Wie kamst du zu deinem Engagement bei Autismus Deutschland?

Das Engagement kam zu mir. Bei meiner Schwester wurde Asperger-Autismus diagnostiziert und meine Mutter hat sich bereits im Autismus Verband engagiert. Den Verband gibt es seit mehr als 50 Jahren. Er wurde von Eltern betroffener Kinder gegründet – damals gab es quasi keine staatlichen Unterstützungsmöglichkeiten und man wusste auch noch nicht viel zum Thema. Irgendwann kamen verschiedene Fachkräfte dazu. Mittlerweile hat unser Verband mehr als 80 Mitarbeitende.

Wenn du eine Sache in Deutschland ändern könntest, was wäre das?

Es muss uns gelingen, mehr Menschen von der egoistischen, toxischen Seite auf die tolerante Seite zu bringen. Denn die Stärke unserer Gesellschaft bemisst sich daran, wie wir mit den Schwächsten umgehen. Dafür braucht es ein stärkeres Bewusstsein für die Themen Diversität, Chancengleichheit und Inklusion. Ich glaube, das würde sich ändern, wenn wir schon ganz früh, in Kita und Schule, die Voraussetzungen dafür schaffen würden.

Wie arbeitet Autismus Deutschland?

Was uns ausmacht, ist unser ganzheitliches Angebot: Wir betreiben zwei heilpädagogische Gruppen, ein ambulantes therapeutisches Angebot für Kinder und Jugendliche, betreutes Einzelwohnen und eine Wohngruppe für erwachsene Autist*innen mit umfassendem Betreuungsbedarf. Außerdem haben wir eine niederschwellige Beratungsstelle für Familien und Institutionen, die autistische Kinder und Jugendliche haben oder betreuen. Wir helfen Familien, die Diagnose einzuordnen und zeigen auf, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt und welche davon im individuellen Fall Sinn machen. Außerdem bieten wir Workshops und Informationsmöglichkeiten für Betroffene und Fachkräfte an. Betroffene Familien finden bei uns eine Gemeinschaft, in der sie sich mit anderen Betroffenen austauschen können und fachlichen Rat finden.

In der Gesellschaft steigt das Bewusstsein für Erkrankungen wie Autismus oder ADHS. Entsprechend gibt es auch immer mehr Erwachsene, die ahnen, dass sie undiagnostiziert im Autismus-Spektrum liegen. Können sich auch diese Personen an euch wenden?

Leider können wir aktuell keine Erwachsenenberatung anbieten, da uns die Finanzierung fehlt. Dabei hätten wir nötige Erfahrung dazu und der Bedarf ist auch riesig. Wir hoffen, dass wir vielleicht in Kooperation mit anderen Einrichtungen oder Initiativen in Zukunft wieder ein solches Angebot aufnehmen können.

Was sollte sich deiner Meinung nach im Umgang mit Autismus ändern?

Natürlich haben Menschen mit Autismus bestimmte Einschränkungen, auf die man im regulären Schul- oder Arbeitsalltag nicht immer Rücksicht nehmen kann. Aber das Spektrum ist groß: Manche sind kaum beeinträchtigt, viele erlernen einen Beruf und leben völlig selbstständig. Aber selbst diejenigen, die stärker beeinträchtigt sind, können einem normalen Alltag nachgehen, wenn die entsprechenden Strukturen geschaffen werden. Eine Brücke in die „Mehrheitsgesellschaft“ zu bauen ist immer möglich. Es geht nicht darum, was Menschen mit Autismus nicht können, sondern was sie können. Meine Schwester zum Beispiel ist der hilfsbereiteste Mensch, den ich kenne. Diese Botschaft wollen wir den Angehörigen vermitteln, aber auch in die Breite der Gesellschaft tragen: Menschen sind eben unterschiedlich. Lasst uns das annehmen und das Positive daran sehen. Jede:r hat seine Stärken und Schwächen. Gerade bei betreuungsbedürftigen Menschen schauen wir aber immer nur auf die Schwächen. Es geht aber nicht um die Verwaltung vermeintlicher Einschränkungen oder Behinderungen, sondern um eine aktive Gestaltung, darum, Fähigkeiten zu erkennen und zu fördern.

Was kann jede*r Einzelne tun, damit unsere Gesellschaft diverser wird – auch mit Blick auf Menschen mit Autismus?

Wenn Freunde oder Bekannte und deren Familien von der Diagnose Autismus betroffen sind: Erst einmal zuhören, sich interessieren, nicht zurückweichen. Und allgemein: Jede*r kann in seinem Alltag zumindest ein kleines bisschen Zeit freiräumen, um sich zu informieren und sich bewusst zu machen: Es gibt noch ein anderes Leben als das, das ich führe, und auch das gehört zu unserer Gesellschaft dazu. Wer die Zeit hat, dem oder der kann ich aus eigener Erfahrung nur empfehlen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Man bekommt dabei nochmal einen ganz neuen Blick auf sein eigenes Leben und es gibt einem einfach ein gutes Gefühl, zu sehen, wie vielfältig unsere Gesellschaft ist.

Wie kann man Autismus Deutschland unterstützen?

Wir freuen uns immer über Spenden oder ehrenamtliche Mitarbeitende. Mit den Spenden können wir Angebote finanzieren, für die wir keine Förderung bekommen, oder Spielsachen und Einrichtungsgegenstände für die Kinder besorgen. Ehrenamtlich kann man uns regelmäßig unterstützen oder auch punktuell, zum Beispiel bei der Organisation eines Sommerfestes.

Unterstütze uns, indem du unseren Inhalt teilst!