Martina Neef (sie/ihr)
Diversität ist für mich ein großer bunter Fächer an Möglichkeiten und Varianten.
Interview von Belinda Duvinage.
Ich bin Martina Neef, 52 Jahre alt, waschechte Berlinerin in vierter Generation, Mutter von einer 14-jährigen Tochter und habe 2012 RockitBiz gegründet, ein Non-Profit-Unternehmen. Ich komme selbst aus dem unternehmerischen Bereich, habe lange in den USA und in Südamerika gearbeitet und gelebt.
Ich habe ursprünglich Maschinenbau studiert und mich dabei auf Theatertechnik spezialisiert. Es hat sich dann die Chance ergeben, an der Oper in San Francisco ein Praktikum zu absolvieren. Nach der Uni habe ich dann dort auch ein Jobangebot erhalten. Weil es aber immer mehr auch um Budgetierung ging, habe ich in Berkeley zusätzlich ein Marketing- und Business-Studium drangehängt und anschließend in einer Agentur gearbeitet.
Ich würde gerne von den Schulen wissen, ob es ihnen helfen würde, die administrativen Dinge konsequent vom Lehrbereich zu trennen. Außerdem brauchen wir mehr Unterstützung durch Sozialarbeiter*innen und Schulpsycholog*innen.
Darüber hinaus halte ich es für essentiell, dass die Kinder frühzeitig richtig gut deutsch lernen. Und: Wir sollten uns in Deutschland auch mal trauen, Dinge aus dem Lehrplan zu nehmen. Ich würde mir wünschen, dass unser Unterricht praxisorientierter wird, wir mutiger werden und die Jugendlichen mehr darauf vorbereiten, was sie im Leben erwartet. Wenn wir als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen wir unsere Kinder Unternehmertum ausprobieren lassen.
In den 1990ern Jahren habe ich ehrenamtlich in Kalifornien Entrepreneurship unterrichtet und mir da schon gedacht, dass wir so etwas auch in Deutschland brauchen. Denn obwohl wir ja so gute Voraussetzungen und Möglichkeiten haben, fehlt diese unternehmerische Einstellung oft. Also habe ich das Konzept, das in den USA hauptsächlich auf Marketing und Business Skills ausgerichtet war, übersetzt und den Fokus verändert.
Meiner Meinung nach erkennen und nutzen hierzulande zu wenige Menschen ihre Möglichkeiten. Und das überträgt sich auch schon auf die Schüler*innen. Diesen Kreislauf wollte ich gern durchbrechen. So kam die Idee, das Thema Unternehmertum und Start-up dafür zu nutzen, Jugendlichen zu zeigen, dass sie viel mehr Möglichkeiten haben, als sie denken und ihnen gesagt wird.
Zum einen richten wir Feriencamps für Schüler*innen im Alter von 12 bis 14 Jahren aus, bei denen sie für eine Woche lang Start-up-Unternehmer*innen werden. Sie finden dabei ihre eigenen Kompetenzen und Stärken heraus, bilden auf der Basis Teams und entwickeln und erstellen dann mit einem Startkapital ein Produkt, das sie dann auch verkaufen. Unterstützt werden die Kinder dabei von Gründer*innen oder von Mitarbeitenden großer Unternehmen wie Google oder Unternehmen aus der Region. Dabei geht es vor allem darum, sich im Team zu finden. Diese Projektwochen finden aber nicht nur in den Ferien statt, sondern auch als lang angelegte Projekte über das ganze Halbjahr an Schulen oder als Start-up-Projekttage. Viele Kinder haben oft einfach gar kein Bewusstsein für ihr Können und ihre Skills.
Ja, gerade bei den langen Projekten lernen die Lehrer*innen die Kinder ganz neu und anders kennen und sind immer überrascht. Oft sind die Kinder, die akademisch nicht so versiert sind, die absoluten Macher*innen und umsetzenden Personen. Das tut auch der Gruppe gut und schweißt sie ganz neu zusammen. Je jünger die Kinder sind, desto besser funktioniert es.
Ja, auch und gerade im Hinblick auf die Geschlechtergerechtigkeit: Mädchen und Jungs lernen frühzeitig, dass das “CEO sein” keine Funktion ist, die nur Jungs übernehmen können. Dass diverse Teams erfolgreicher sind. Wir können also sehr früh und sehr unkompliziert Einfluss nehmen.
Diversität ist für mich ein großer bunter Fächer an Möglichkeiten und Varianten.
Auf jeden Fall. Ich merke gerade in der letzten Zeit, dass ich immer noch lerne, dass ich immer wieder Neues erfahre. Auch wenn ich selbst mit arbeitenden, nichtakademischen Eltern groß geworden bin, Gleichberechtigung für mich normal war, ich schon immer Kontakt hatte zu Menschen, die unterschiedliche sexuelle Orientierungen hatten, habe ich erst im Laufe der Jahre festgestellt, dass es auch ganz anders sein kann, es wichtig ist, sich dessen bewusst zu werden und sich für Chancengleichheit einzusetzen.
Ja, die Aufgabenstellungen sind aber andere. In Indien zum Beispiel wird vor allem mit sehr armen Frauen gearbeitet. Grundsätzlich geht es aber immer um den gleichen Kern: das eigene Selbstbewusstsein zu stärken, an sich selbst und die eigenen Kompetenzen zu glauben.
Eine gute Frage. Zu Beginn des Jahres geht es vor allem darum, Fördermittel zu gewinnen, Partnerschaften herzustellen und die Projekte auszutarieren. Die größte Herausforderung ist, dass immer mehr Stiftungen, vor allem bedingt durch die Herausforderungen der vergangenen drei Jahre, ihre Fördermittel für den unternehmerischen Bereich immer weiter zurückfahren und streichen.
Aktuell hilft uns vor allem finanzielle Unterstützung. Weitere Informationen findet ihr direkt hier www.rockitbiz.de