#DiverseVoices: Dr. Max Appenroth (keine Pronomen/er)
„Wenn also Kinderbücher die Macht hätten, die Identität von Kindern zu lenken, dann müsste ich demzufolge heute hetero sein und mich mit dem bei meiner Geburt zugewiesen Geschlecht identifizieren.“
Dr. Max Appenroth ist MoreDiversity Ambassador, trans Aktivist und Diversity-Berater. Mit seiner Beratungsfirma Diversity Factory hilft Max Unternehmen, integrative Arbeitsumgebungen zu schaffen.
Max, Du hast das Kinderbuch "Egal was sich auch ändert, das Herz bleibt genau dasselbe" geschrieben. Was hat Dich dazu inspiriert, dieses Buch zu schreiben, und warum hältst Du es für wichtig, dass solche Themen in Kinderbüchern behandelt werden?
Dieses Kinderbuch ist ein kleines Corona-Baby. Ich war damals, als man nur alleine oder im eigenen Haushalt spazieren gehen durfte, auf dem Tempelhofer Feld in Berlin unterwegs und dachte, wie es wohl für meine kleine Tochter wäre, wenn ich mich nicht vor zehn Jahren, sondern zu dem Zeitpunkt als trans geoutet hätte. Und ich dachte mir, ein Kinderbuch wäre eine großartige Ressource, um dieses Thema eben auch den kleinen Menschen aus eigener Perspektive näher zu bringen. Denn so ungewöhnlich ist es nicht, dass eventuell ein wichtiger erwachsener Mensch im Leben eines Kindes eine Transition beginnt. Bislang gab es zu dem Thema noch nichts das wollte ich ändern.
Wie glaubst Du, dass Geschichten wie die in Deinem Buch das Denken und die Einstellungen von Kindern gegenüber trans Personen und Geschlechterdiversität beeinflussen können?
Ich glaube, Kinder sind dem Thema gegenüber unvoreingenommen offen und neugierig. Und wenn man ihnen genauso unvoreingenommen Ressourcen mit an die Hand gibt, sich mit dem Thema kindgerecht auseinander zu setzen, fördert es auf lange Sicht diese Offenheit, eine positive Neugierde und damit auch die Akzeptanz gegenüber trans Menschen. Dass man Kinder mit diesen Themen nicht konfrontieren sollte oder gar, dass Bücher zu diesem Thema Kinder trans mache, ist ein großer Trugschluss. Würde man dieser Logik folgen, dürfte ich als stolze queere trans Person heute gar nicht existieren. Denn in meinen Kinderbüchern gab es nur Heterosexualität und Cisgeschlechtlichkeit. Wenn also Kinderbücher die Macht hätten, die Identität von Kindern zu lenken, dann müsste ich demzufolge heute hetero sein und mich mit dem bei meiner Geburt zugewiesen Geschlecht identifizieren.
Welche Reaktionen und welches Feedback hast Du bisher von Eltern, Erzieher*innen und Kindern auf Dein Buch erhalten? Gibt es bestimmte Geschichten oder Rückmeldungen, die Dich besonders berührt haben?
Ich bekomme sehr viel positives Feedback zu dem Buch, und dass die erste Auflage der deutschen Fassung bereits ausverkauft ist und wir nachdrucken mussten, spricht für sich. Mir schrieb eine Mutter über Instagram, dass sie das Buch gemeinsam in ihrer Familie gelesen und dabei alle geweint hätten.
Denn in der Familie war es genauso, dass eine der Elternpersonen eine Transition begonnen hatte und als das Kind sagte: „Ich fühle mich endlich verstanden.“ sei das wohl ein sehr emotionaler Moment für die Familie gewesen. So etwas berührt mich natürlich auch, da das Buch auch genau das bewirken sollte.
Inwiefern siehst Du Kinderbücher als ein Werkzeug, um Werte wie Akzeptanz, Empathie und Verständnis im Kita-Alter zu fördern?
Wie bereits angesprochen, Kinder sind neugierig. Sie wollen lernen, sie wollen verstehen, sie wollen die Welt kennen lernen. Und genau diese Neugierde sollten wir auch unvoreingenommen füttern, denn auch durch Kinderbücher Geschichten zu erzählen, die nicht den eigenen Biografien, Lebensentwürfen oder Vorstellungen der Kinder und deren Familien entsprechen, hilft uns dabei, uns gesellschaftlich besser kennen zu lernen und zu sehen, dass es Unterschiede gibt. Unterschiede sind nichts Negatives und diese frühzeitig in einer positiven Darstellung kennen zu lernen, kann nur förderlich sein.
Welche Herausforderungen gibt es Deiner Meinung nach bei der Einführung von diversitätsbewussten Büchern in Kitas, und wie können diese überwunden werden?
Die größten Herausforderungen sind die Vorbehalte der Erwachsenen. Oftmals sind es aber nicht nur Vorbehalte, sondern eigene Unsicherheiten den vielfältigen Themen gegenüber und die Sorge, dass man womöglich den Nachfragen der Kinder nicht gerecht werden kann. Deswegen haben wir zum Beispiel in unserem Kinderbuch am Ende auch ein bisschen Lesestoff für Erwachsene hinzugefügt. Um noch einmal mehr Kontextinformationen für mögliche Nachfragen der Kleinen anzubieten.
Welche Tipps und Empfehlungen würdest Du Erzieher*innen und pädagogischen Fachkräften geben, um Kinderbücher mit Themen wie Geschlechtervielfalt und Transidentität in den Kita-Alltag zu integrieren?
Das Wichtigste ist auch hier: Offenheit den Themen gegenüber. Erzieher*innen und pädagogische Fachkräfte müssen ihre gesellschaftliche Verantwortung verstehen, und dass sie eine wichtige Rolle in der zukünftigen Akzeptanz gegenüber Vielfalt bei Kindern spielen. Reagieren sie stark ablehnend gegenüber vielfältigen Themen, kann sich das auch auf die Kinder übertragen. Genauso auch eine eigene Unsicherheit und das gilt es zu vermeiden. Entsprechend würde ich den professionellen Fachkräften empfehlen, sich die Zeit zu nehmen und sich mit den Themen auseinander zu setzen und sich hierzu fortbilden zu lassen.
Was erhoffst Du Dir langfristig von Projekten wie dem Kita-Buch-Projekt von MoreDiversity und Deinem eigenen Kinderbuch in Bezug auf gesellschaftliche Veränderungen und die Akzeptanz von Diversität?
Ich hoffe sehr, dass Projekte dieser Art, die Wissen über Vielfalt zugänglich machen, auch langfristig die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber unseren Unterschieden fördern werden. Denn ich habe große Hoffnung in die jungen und vor allem auch die folgenden Generationen, dass wir durch sie den Mehrwert, der in der Vielfalt liegt, gesellschaftlich besser nutzen und verstehen können. Denn die Gesellschaft wird sich weiter diversifizieren, das ist bereits evident. Und wer sich dem gegenüber verschließt, wird womöglich am Ende alleine da stehen und auch das müssen wir verhindern.