Juliane Seyhan (sie/ihr)

Diversity und New Work gehören für mich eng zusammen. Denn für echte Veränderung braucht es unterschiedliche Perspektiven.
Angelika Stehle
Wer bist du und was machst du?

Ich bin Juliane Seyhan, Gründerin und Inhaberin der Agentur minds + matches. 

Mit Veränderungen in Unternehmen beschäftige ich mich inhaltlich seit über 15 Jahren. Ursprünglich komme ich aus dem Verlagswesen, viele Jahre habe ich Bücher zu Themen wie Leadership oder Organisationsentwicklung akquiriert und betreut. Als Führungskraft habe ich in einem sich schnell verändernden Konzern selbst neun Jahre lang ein Team an zwei Standorten geführt. Ich weiß daher recht gut, was in Unternehmen gerade so los ist.

Seit 2021 vermittle ich mit minds + matches Speaker*innen zu den Themen Transformation und Diversity an Unternehmen und Events und konzipiere Veranstaltungsreihen für Organisationen. Wir vermitteln Vorträge, aber auch Workshops, Consulting und Sparring – Unternehmen bekommen bei uns also Inspiration und können sich zudem bei der Umsetzung begleiten lassen. Und wenn es die Zeit zulässt, begleite ich Autor*innen bei ihren Buchprojekten oder unterstütze Speaker*innen bei ihrer Positionierung und inhaltlichen Weiterentwicklung.

Alles, was ich tue, dreht sich inhaltlich immer um den Wandel der Arbeitswelt.  

Wenn du eine Sache sofort in Deutschland ändern könntest, was wäre das?

Mehr Investitionen in die Bereiche, in denen Deutschland viel Nachholbedarf hat: Bildung, modernes Unternehmertum, Digitalisierung. Und einen höheren gesellschaftlichen und politischen Stellenwert dieser Themen. 

Und von uns allen persönlich: sich für positive Veränderungen einsetzen – in welchem Rahmen das persönlich möglich ist. 

Ich glaube, Veränderung braucht immer beides: Veränderungen in einem großen Zusammenhang, andere Strukturen. Aber es braucht auch Veränderung im Kleinen, die bei mir selbst und uns allen anfängt. 

Du hast eine Unternehmensberatung mit dem Fokus Diversität und New Work gegründet. Wie hängen diese Themen für dich zusammen?

Diversity und New Work gehören für mich eng zusammen. Denn für echte Veränderung braucht es unterschiedliche Perspektiven. Und das Bestreben nach Diversität ist meines Erachtens eines der größten und wichtigsten Themen bei der Transformation von Unternehmen – weil das Thema vielschichtiger ist, als oft angenommen wird.

Warum? Diversity, Equity und Inclusion im Unternehmen bedeutet: ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das gut für alle ist.  

Gemeint ist: Niemand sollte Benachteiligungen erfahren aufgrund von sozialer oder ethnischer Herkunft, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung, Alter, Religion und Weltanschauung oder körperlicher und geistiger Fähigkeiten. Eine gleichberechtigte Teilhabe aller. Und das bedeutet nicht nur, Stellenanzeigen zu gendern oder eine Rampe für Rollstühle am Eingang zu installieren. Es geht vielmehr um eine Unternehmenskultur, die alle einbindet. 

Unsere Arbeitswelt mit ihrer Orientierung auf Leistung, volle Energie, vollen Fokus auf den Job passt nicht mehr zu unserer Lebensrealität. Viele Menschen können und wollen so nicht mehr arbeiten – etwa weil sie Care-Arbeit leisten oder chronisch krank sind. Oder weil sie nach drei Jahren Pandemie und Sorgen über den Klimawandel und den Krieg in der Ukraine einfach erschöpft sind. 

Die Arbeitsbedingungen für alle Menschen fairer zu gestalten: vor allem und besonders für diejenigen, die im Arbeitsumfeld Diskriminierung erfahren, und grundsätzlich für alle, die unter anderen Bedingungen arbeiten wollen: darum geht es bei Diversity und daher auch bei der Transformation von Unternehmen insgesamt.

Was können Unternehmen in Deutschland denn ganz konkret tun, um Diversität im Arbeitskontext zu fördern?

Ein erster Schritt könnte sein, sich ernsthaft mit dem Thema Diversity auseinanderzusetzen. Sich zu fragen: Für wen sind die Arbeitsbedingungen in unserem Unternehmen denn wirklich gut, für wen nicht? Wie divers ist denn eigentlich unsere Belegschaft und wie sind unsere Führungspositionen besetzt? Als konkretes Beispiel: Stellenanzeigen so zu formulieren, dass sie möglichst alle Bewerber*innen ansprechen, ist das eine – aber noch wichtiger ist eine Unternehmenskultur, die dazu passt.  

Das klingt leichter, als es ist. Denn es erfordert manchmal das Eingeständnis, dass vielleicht doch nicht alles so toll läuft wie gedacht. Wichtig ist, anzufangen: Bücher dazu lesen, einen Talk hören, darüber sprechen – im Unternehmen das Thema vielleicht auch mit einer externen Begleitung angehen. 

Eine Erkenntnis könnte sein: Wir alle haben unbewusste Vorurteile (Unconscious Bias) und bestimmte Privilegien – das sollten wir uns nicht vorwerfen, aber wichtig ist, wie wir damit umgehen.

Was motiviert dich persönlich und beruflich an?

Mit meiner Arbeit will ich einen Beitrag leisten, die Arbeitswelt besser zu machen. Es sind so viele spannende und gute Veränderungen in Unternehmen im Gange und ich finde es toll, wie viele Organisationen gerade aktiv Dinge verändern. Und gleichzeitig gibt es viele kluge Menschen, die dabei unterstützen können: mit Impulsen und konkreten Ideen für bessere Führung, gute Zusammenarbeit, ein chancengerechtes Arbeitsumfeld. Diese Menschen mit veränderungsfreudigen Organisationen zusammenzubringen: das treibt mich an.

Wo stösst du selbst bzw. deine Familie im Alltag an deine Grenzen?

Ich bin Mutter eines Sohnes, und ganz ehrlich: ich stoße jeden einzelnen Tag an meine Grenzen. Let’s face it: Elternsein ist ebenso herausfordernd wie wunderbar – in diesen Zeiten nach Jahren Pandemie mit Kita-Schließungen und vielen Sorgen sowieso. Ich wusste nicht, wie müde ich sein und irgendwie trotzdem arbeiten und den Alltag wuppen kann, bevor ich Mutter wurde. 

Mein Mann und ich teilen unsere Aufgaben zuhause gut auf und haben klare Absprachen für Krankheitsfälle usw. – und trotzdem ist unser Workload mit einem Vollzeitjob, einem Unternehmen plus Kind und ohne Großeltern in der Nähe oder dem Luxus einer Nanny einfach enorm hoch. 

Erfolgs-Mantras bin ich inzwischen echt leid. “Du kannst alles schaffen!” Das stimmt einfach nicht: irgendetwas fällt immer hinten runter, ob es ein berufliches Projekt ist oder Zeit für Freund*innen. Mir persönlich hilft eher, sich das einzugestehen und weniger zu planen, als ständig an mir zu verzweifeln, weil ich eben nicht morgens um 5 Uhr schon meditiert habe.

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